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Bericht: Exkursion Mannheim
Mit den Normannen durch Europa

am 14.01.2023 (Autor: Wolfgang Stejskal)

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Meere und Flüsse können verbinden aber auch trennen, ein Thema, welches in unserer Zeit mit dem Migrationsproblemen am Ärmelkanal und im Mittelmeer deutlich sichtbar wird.

Das Verbindende erlebten die Freunde Sinsheimer Geschichte bei ihrem Besuch in der Normannenausstellung in Mannheim, denn die Geschichte der Normannen betrifft die ganze damals bekannte Welt, von Skandinavien im Norden bis ins östliche Mittelmeer, ermöglicht durch die Wasserstraßen in und um Europa, die als Verkehrs- und Handelswege von herausragender Bedeutung waren.

So sahen sich die Besucher während der Führung nicht in eine chronologische Zeitreise versetzt, sondern folgten einer geographischen Reise, bei der die Meere Europas einen der Erzählstränge der Schau boten.

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Ausgangspunkt war ein Bildstein von Gotland, der in die skandinavische Wikingerzeit führt, als die „Nordmänner“ mit ihren schnellen Drachenschiffen, wie sie der Stein darstellt, ganz Westeuropa heimsuchten, nicht nur als die gefürchteten Seeräuber, sondern als Händler, hervorragende Seeleute, auch als Siedler, die bis Grönland und Nordamerika gelangten. Durch diese Handelsstätigkeit entstand ein dichtes Netz von Siedlungen und Handelsplätzen, das sich weit in den Osten ausdehnte und im 9. Jahrhundert zur Gründung des Reiches der Rus, das finnische Wort für Schwede, entlang der Wolga und des Dnjepr führte. Durch den Krieg in der Ukraine erhalten diese historischen Vorgänge wieder erhöhte Brisanz, denn um 900 war Kiew einer der wichtigsten Knotenpunkte, welcher die Ostsee mit dem Byzantinischen Reich verband. Aus dieser Verbindung entwickelte sich die Leibgarde des oströmischen Kaisers, die Warägergarde.

In Westeuropa begann nach den Raubzügen der Nordmänner im 10. Jahrhundert der Wandel zu den Normannen, als der westfränkische König Karl III. um das Jahr 911 einer Gruppe von Nordmännern Land entlang der Seine überlässt, zum Schutz gegen weitere Plünderungen. So entsteht das Herzogtum Normandie, folgt die Eroberung Englands durch Herzog Wilhelm, mit dem Sieg in der Schlacht bei Hastings 1066. Daraus entstand in der Folge das anglonormannische Reich. Die Ausstellung zeigt dazu eine Fülle archäologischer Funde, Schmuckstücke, Münzen und schriftlicher Zeugnisse. Hervorzuheben ist dabei die Darstellung der Schlacht auf dem sogenannten Teppich von Bayeux, einer 68 Meter langen Stickerei, die die Ausstellung in einer Teilnachbildung zeigt, da das Kunstwerk das Museum in Bayeux nicht verlassen darf. Entstanden nur wenige Jahre nach der Schlacht, sind darauf die Ereignisse von 1064 bis zur Schlacht dargestellt, ein eindrucksvolles Zeugnis handwerklicher Kunst des frühen Mittelalters. Eine filmische Darstellung des Ereignisses führte die Besucher fast hautnah in das Getümmel der damaligen Schlacht.

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Die Normandie war auch in eine andere Richtung Ausgangspunkt von Migration, nämlich nach Süden, so beteiligten sich normannische Krieger an der Reconquista in Spanien, bildeten im 12. Jahrhundert eine Herrschaft in Tarragona. Bedeutender und nachhaltiger war der Einfluss der Normannen in Süditalien und Sizilien, wo sich seit 1000 die ersten Normannen nachweisen lassen. Wahrscheinlich bot die Normandie nicht ausreichendes Auskommen für alle Familienmitglieder, so dass sich viele Normannen in einer Region etablierten, die im Machtgefüge zwischen Muslimen, Byzantinern und verschiedenen langobardischen Fürsten ausreichend Gelegenheit bot als Söldner sein Glück zu machen. Gleichzeitig zog es viele Pilger zum Monte Sant’Angelo in Apulien, da das dortige Michaelsheiligtum einen engen Bezug zum Mont-Saint-Michel hatte. In der Ausstellung verdeutlicht die vergoldete Kupferikone des Heiligen diese Beziehung. So entstand bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts das Königreich Sizilien mit seinen normannischen Herrschern, eindrucksvoll in der Ausstellung durch Dokumente, Artefakte und Schmuckstücke in Szene gesetzt. Noch heute bezeugen dort zahlreiche Bauten das kulturelle Leben der damaligen Zeit.

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Sizilien war jedoch nicht der Endpunkt der normannischen Expansion, sondern diente als Sprungbrett in den östlichen Mittelmeerraum, was durch die beginnenden Kreuzzüge begünstigt wurde. 1098 eroberte Bohemund von Tarent die Stadt Antiochia und gründete den ersten der Kreuzfahrerstaaten im Heiligen Land, der bis 1268 Bestand hatte. Die süditalienischen Häfen Brindisi, Bari, Barletta und Otranto galten als Tore zum Osten, von hier machten sich Pilger und Kreuzfahrer auf den Weg nach Palästina.

Das Jahr 1268 und ein letztes Kunstwerk, der sogenannte Mantel Karls des Großen, führte am Ende der spannenden Führung zurück in die deutsche Geschichte. Die Tochter des letzten normannischen Königs in Sizilien, Konstanze von Hauteville heiratet den Stauferkönig Heinrich VI. und regiert nach dessen Tod 1197 das Königreich Sizilien. Ihr Sohn ist Friedrich II., der nach dem Tod der Mutter 1198 die Herrschaft übernimmt. Der oben erwähnte Mantel ist wahrscheinlich der Krönungsmantel des späteren deutschen Kaisers. Und 1268? In diesem Jahr wird der Enkel Friedrichs II. Konradin nach der verlorenen Schlacht von Tagliacozzo gegen Karl von Anjou in Palermo enthauptet. Mit ihm stirbt der letzte Staufer und mit ihm sein Freund Friedrich, Markgraf von Baden, womit die Sinsheimer an das Zeugnis ihrer eigenen damaligen Geschichte, an die Burg Steinsberg, erinnert wurden.

So ging ein intensiver Ausflug zu Ende, leider für einige Teilnehmer verkürzt, da in Sinsheim der Neujahrsempfang der Stadt wartete. Für einen Teil der Gruppe endete die Geschichtsstunde weiterhin italienisch , nämlich in der Eismanufaktur Fontanella auf den Planken, bevor es mit dem Zug wieder in den Kraichgau ging.

Und wie war das mit den Drachenschiffen auf der Elsenz? Beweise für das Auftauchen von Wikingern entlang der Elsenz gibt es nicht, doch bedenkt man, dass sogar ein großes Langschiff, das 80 bis 100 Krieger tragen konnte, nur einen Tiefgang von 1 Meter hatte, so lässt die Fantasie genug Spielraum, um sich plündernde Räuber im Kraichgau auszumalen.

Bericht: Exkursion Speyer
Auf den Spuren der ersten Habsburger

am 22.10.2022 (Autor: Wolfgang Stejskal)

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Die Frage wer nach den Staufern die Geschichte um den Steinsberg, bzw. im Deutschen Reich bestimmte, stand im Mittelpunkt der Exkursion der Freunde Sinsheimer Geschichte nach Speyer. Dort im Historischen Museum der Pfalz konnten die Teilnehmer in unterhaltsamer und informativer Weise in der Ausstellung „Die Habsburger im Mittelalter“ Antworten auf diese Frage finden. Unterhaltsam auch deshalb, weil die Ausstellung sich nicht mit der Präsentation von Gemälden, Urkunden, Gewändern und anderen sakralen und weltlichen Gegenständen begnügt, sondern eine Reihe von Darstellungsformen wählt, die den Besucher das ein und andere Mal zum Schmunzeln bringt.

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Der Auftakt der Ausstellung ist ein Tagesschaubeitrag vom 1.Oktober 1273 zur Wahl Rudolfs von Habsburg zum römisch-deutschen König in Frankfurt, ganz im Stil einer modernen Wahlberichterstattung, mit Vorstellung der Kandidaten, dem Wahlergebnis und den möglichen politischen Folgen. An anderer Stelle beginnt die Bildnisplatte Rudolfs, die die Sinsheimer Gruppe später im Dom in der Krypta bewundern konnte, zu lächeln und an einer Laptopstation kann man die Chats im Umkreis des kaiserlichen Hofs verfolgen, die sich ganz an heutigen Inhalten orientieren.

So bewegt man sich von den Anfängen der Habsburger im Aargau und im Elsass im 11.Jahrhundert durch die sich entwickelnde Territorialpolitik hinüber in den Schwarzwald und nach Norden in die Pfalz, was letztlich erklärt, warum Rudolf in Speyer begraben werden wollte. Dass diese Expansion nicht widerstandslos vor sich ging, wird an den Schlachten von Dürnkrut (1278 ) in Österreich und Göllheim (1282) in der Pfalz verdeutlicht, wobei die Erstere den Weg der Habsburger nach Osten ebnete, was unser landläufiges Bild der Habsburger als „österreichisches“ Geschlecht nachhaltig beeinflusst hat. Interessant auch die Informationen zur habsburgischen Heiratspolitik, was letztlich zur Kaiserwürde und einem Weltreich führte. Die Ausstellung endet mit Maximilian I. dem sogenannten „letzten Ritter“ und den erstaunlichen Kopien der Monumentalbronzen seines Grabmals in der Innsbrucker Hofkirche, sodass noch einmal die mittelalterlichen Habsburger wie in einer Prozession an den Besuchern vorbeizogen.

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Die Sinsheimer zogen auch weiter, stärkten sich bei einem gemeinsamen Mittagessen im Ratskeller, bevor sie sich zum Dom aufmachten, wo ausgestattet mit einem elektronischen Führer jeder einen Rundgang nach seiner Wahl machen konnte. Besonders beeindruckend die Krypta von 1041, die größte romanische Hallenkrypta weltweit, mit den Königs- und Kaisergräbern, beginnend mit dem Salierkaiser Konrad II. , dem Gründer des Doms, bis zu den Habsburgern, Rudolf und seinem Sohn Albrecht von Österreich. So fand dieser Tag voller Informationen einen würdigen Abschluss, bot viele Anregungen sich weiter mit der Geschichte der Region und Deutschlands zu befassen, wobei die Geschichtsfreunde auf der Heimfahrt schnell wieder in die Gegenwart zurückbefördert wurden, da die Zugfahrt wegen eines Konflikts von Fußballfans für eine ganze Weile unterbrochen wurde.

Bericht: Exkursion Bad Wimpfen - Tilly, ein evangelischer Beichtstuhl und die sogenannte "Judensau"

am 09.07.2022 (Autor: Wolfgang Stejskal)

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Südlich der Reichsstadt Wimpfen standen sich am 6.Mai 1622 das protestantische Heer des Markgrafen Georg Friedrich von Baden und das Heer der katholischen Liga unter Johann Tserclaes Graf von Tilly gegenüber in einer der ersten großen Schlachten des Dreißigjährigen Krieges. Diesen 400. Jahrestag hatten die Freunde Sinsheimer Geschichte zum Anlass für ihren Ausflug genommen. Im Reichsstädtischen Museum gab Herr Günther Haberhauer einen Einblick in die Geschehnisse um dieses Ereignis, wobei er deutlich machte, dass die Reduzierung dieses langen Konfliktes auf eine Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten viel zu kurz greift. Da standen Reichsfürsten gegen den habsburgischen Kaiser, mischten Schweden, Dänen, Franzosen und Spanier mit, ging es um Macht und Einfluss im Deutschen Reich, aber auch in der Ostsee, in den Niederlanden, in Norditalien. Am Ende brachte dieser Krieg nur Tod und Verwüstung und unendliches Leid für die Menschen im Reich.

Nach dieser hochinteressanten Geschichtsstunde konnten die Teilnehmer beim Mittagessen im Kräuterweible die Informationen und Eindrücke aus dem Museum verarbeiten, wobei die Gedanken an den Krieg in der Ukraine auch eine Rolle spielten.

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Vorbei an den Gebäuden der staufischen Kaiserpfalz ging es hinunter ins Tal zur ehemaligen Ritterstiftskirche St. Peter, die so genannte wurde, da die Mitglieder der Klostergemeinschaft sich aus verschiedenen Adelsgeschlechtern zusammensetzten. Hinter dem romanischen Westwerk der Kirche beeindruckte der gotische Innenraum, der ab 1269 begonnen wurde und den romanischen Zentralbau ersetzte. Trotz vielfältiger Renovierungsmaßnahmen zeigt die Kirche eine große Anzahl bautechnischer Details und Kunstgegenstände, Skulpturen im Chor, das Chorgestühl, das Sakramentshäuschen, der tubablasende Engel von 1275. Beeindruckt stand man vor dem Südportal, das in seinem Aufbau und Figurenschmuck an ähnliche Kunstwerke der Straßburger Bildhauerschule erinnert.

Nicht weit davon wurde man mit einem dunklen Kapitel der christlichen Welt konfrontiert, der Darstellung einer sogenannten Judensau, der Darstellung von Juden, die an den Zitzen eines Schweins saugen, Ausdruck eines jahrhundertelangen christlichen Antisemitismus. In den vergangenen Wochen war nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs verstärkt über diese Darstellungen, von welchen es etwa 50 an Kirchen in Deutschland gibt, berichtet worden, nun konnten die Geschichtsfreunde sich selbst ein Bild solch einer Darstellung machen. So gab es beim Rückweg hinauf zur Stadtkirche viel Gesprächsstoff, was die jüdisch-christliche Tradition in unserem Land angeht, wieso der hässliche Antisemitismus wieder sein Haupt erheben kann.

Noch einmal Gotik, so war es dann in der Stadtkirche zu sehen und man staunte über die herrliche Hallenkirche, die mit ihren Altären und Marienfiguren so gar nicht in die Vorstellung einer protestantischen Kirche passt. Aber als 1525 die Reformation nach Wimpfen kam, waren die Prediger nicht kurpfälzische Calvinisten, sondern Lutheraner, die die meisten katholischen Sakralgegenstände nicht entfernten. Am meisten erstaunte ein Beichtstuhl aus dem 17. Jahrhundert, der belegt, dass auch in evangelischen Kirchen die Ohrenbeichte noch bis ins 19. Jahrhundert vor dem Abendmahl üblich war.

So fuhr die Gruppe nach einem abschließenden Kaffeehausbesuch voller bereichernder Informationen und Einsichten mit dem Zug wieder zurück nach Sinsheim, wurde neugierig gemacht auf die nächste Exkursion des Vereins, den Besuch der Ausstellung „Die Habsburger im Mittelalter“ in Speyer am 22. Oktober.

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Bericht: Führung Hoffenheim 

am 21.05.2022

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Am Samstag 21.05.2022 besuchten die "Freunde Sinsheimer Geschichte" den "Heimatverein Hoffenheim". Unter fachkundiger Führung durch Hartmut Riehl erkundeten wir die geschichtsträchtigen Orte Hoffenheims. Danach folgte ein Besuch im Heimat- und im Schreibmaschinenmuseum. Abgerundet wurde der Tag mit einem gemütlichen Abschluss im Hof des Heimatmuseums bei Schmalzbrot und Getränken.

 

Bericht: Fachwerkführung Eppingen 

am 27.11.2021

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In der Geschichte findet man den Begriff des Fachwerkbaus weit vor Christi bei römischen Architekten. Besonders in holzreichen Gegenden wurde die Technik des Fachwerks schon frühzeitig von den Handwerkern eingesetzt. Zum Bau der Häuser verwendete man das für neue Siedlungen oder für Ackerland gerodete Holz. Zunächst in Vollholzbauweise (Blockbau) und dann, nachdem die umliegenden Ressourcen an dicken Holzstämmen knapp wurden, erfand man eine Art Holzskelett, dessen Löcher (Gefache) mit anderen Baumaterialien gefüllt wurden.

 

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Mit ca. 90 zum Teil sehr gut erhaltenen Fachwerkhäusern verfügt die Stadt Eppingen über eine stattliche Anzahl dieser geschichtsträchtigen Bauten aus vergangener Zeit. Fachwerkbunt schmiegen sie sich aneinander und faszinieren den Betrachter mit ihren Farben, Schnitzereien und der Bauweise.

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Ein „Fachmann für Fachwerk“, Christoph Waidler, aktives Mitglied der Heimatfreunde Eppingen e.V., führte uns in die Welt des Fachwerksbaus der Stadt Eppingen optimal ein. Wir lernten viele Details und Geschichten rund um die Kunst des Fachwerkbaus.

Kurz vor dem 3. Lockdown Ende November 2021 hatten wir die Möglichkeit eine Fachwerkführung trotz etwas schwieriger Witterunsgbedingungen zu realisieren. 

Wir konnten auch das sogenannte Bäckerhaus in Eppingen bewundern, welches als das älteste bisher bekannte Fachwerkhaus im Kraichgau gilt, es wurde vor mehr als 600 Jahre gebaut und ist ein beeindruckendes Beispiel für die Kunst des Fachwerkbaus in Mitteleuropa.

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Die Fachwerkführung mit Herrn Waidler war so interessant, dass wir beschlossen haben, denselben Ausflug auch nochmal im Spätsommer 2022 anzubieten (11.09.2022).

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Bericht: Ausflug nach Speyer

13.11.21 - An den Quellen des Judentums In Mitteleuropa

Am 13.11.2021 machten sich die Mitglieder des Vereins der Freunde Sinsheimer Geschichte und des Bündnisses für Toleranz auf den Weg nach Speyer, in eine der drei sogenannten SchUM Städte - die drei Rhein-Städte Speyer, Worms und Mainz, deren hebräische Namen, bzw. deren Anfangsbuchstaben den Begriff „SchUm“ bilden und als Städte erster Zeugnisse des Judentums in Mitteleuropa in diesem Jahr ins Weltkulturerbe aufgenommen wurden.

Die Exkursion sollte auch ein Beitrag beider Sinsheimer Vereine zum Gedenken an die Reichspogromnacht, am 9. November sein. Nach einer 45-minütigen Zugfahrt, auf der die 20 Teilnehmer schon im Vorfeld über die Exkursion informiert wurden, kamen die Teilnehmer gegen 10:30 Uhr im sogenannten Judenhof an. Unter sachkundiger Führung konnten die drei Elemente einer jüdischen Gemeinde besichtigt werden, der Friedhof, das Ritualbad (Mikwe) und die Synagoge.

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Danach konnten die Teilnehmer der Exkursionsgruppe die Reste der ehemaligen Männer- und Frauensynagoge besichtigen. Innerhalb dieser imposanten Zeugnisse jüdischen Lebens in Speyer wurden die Besucher von der exzellenten Führerin Cornelia Benz (Vorsitzende der Interessensgemeinschaft der Gästeführer Speyer IGS) über die 1700-jährige Geschichte der Juden in Deutschland informiert. Denn schon vor der Völkerwanderung sind Juden mit den römischen Legionen nach Germanien gekommen, so auch an den Rhein, und blieben danach in den von den Römern geründeten Städten des Rheins. Sie hatten einen großen Anteil daran, das antike Erbe in die Zeit des Mittelalters in Deutschland hinüberzuretten.

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Die Bedeutung von Speyer kann man nicht hoch genug einordnen, der Judenhof ist ein Denkmal des Wissens und jüdischer Gelehrsamkeit im Mittelalter. Themen wie Rechtsprechung, Familienrecht, Erbschaftsrecht, ein Scheidungsrecht, das den Mann zum Beispiel nicht bevorzugt, wurden durch Überlieferungen, Kommentare des Talmuds unter jüdischen Gelehrten gelebt und durch das Mittelalter als „Frühaufklärung“ getragen.

Die Ausflugsgruppe erfuhr bei der Führung, das bereits beim Aufruf zum ersten Kreuzzug 1095, Pogrome gegen die Juden ausgelöst wurden – also vor mehr als 900 Jahren. Doch damals stellte sich der Bischof von Speyer zwischen die jüdische Gemeinschaft und den mordenden Pöbel und erklärte sich selbst als Schutzherr der Juden. Als die Verantwortung für die Stadt an den Rat übergeben wurde, wurden die Juden aus der Stadt vertrieben und mussten auf dem Lande eine kärgliche Existenz fristen.

Die Besucher wurden ebenfalls über die Pestpogrome des 14. Jh. informiert, welchen auch hunderte von Juden in Speyer zum Opfer fielen. Diese grässlichen Pogrome wurden gegen das Expertenwissen, gegen die jüdisch-aschkenasischen Wissens-Kultur gerichtet und gegen die „ketzerische“ Rechtsprechung eines „aufgeklärten“ gesellschaftlichen Zusammenlebens. Radikalisierte Ordensträger verurteilten den Talmud als Werk des Teufels und hetzten die einfache Bevölkerung auf. Verschwörungstheorien wie „Pestausbruch durch sogen. Brunnenvergiftungen von Juden“ wurden schon vor fast 1000 Jahren an Leichtgläubige verbreitet, um sie zu den Pogromen anzustacheln – eine erschreckende Konstante, welche ganz augenscheinlich die Zeit überlebt hat.

Erst unter der Herrschaft von Napoleon wurde den Juden im Code Civile das gleiche Bürgerrecht zugestanden und es entstand vor allem in den Rheinbundstaaten ein blühendes Jüdisches Leben.

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In der Reichspogromnacht, am 9. November 1938 wurde die neue Synagoge, wie 1400 andere Synagogen und Betstuben in Deutschland, zerstört, die jüdischen Friedhöfe geschändet und die Deportation der jüdischen Mitbürger aus Speyer begann. Vom Brand der Synagoge gibt es auch eine Video-Aufzeichnung:

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- Synagoge Speyer 1938 - YouTube. einfach klicken

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Nur wenige Juden kehrten nach dem 2. Weltkrieg zurück. Erst im Oktober 1996 wurde in Speyer - insbesondere von zugezogenen Emigranten aus den GUS-Ländern - eine neue Jüdische Gemeinde Speyer e.V. gegründet. Die neue jüdische Gemeinde in Speyer führt so die fast tausendjährige Tradition des Judentums in dieser Stadt weiter.

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Nach einem sehr guten Mittagsessen im Speyerer Ratskeller besuchte die gemischte Gruppe aus „Freunden Sinsheimer Geschichte" und "Bündnis für Toleranz“, die Gedenkkapelle von Edith Stein – eine deutsche Philosophin und Frauenrechtlerin jüdischer Herkunft, welche später zum Christentum konvertierte und unter anderem im Dominikanischen St. Magdalenakloster in Speyer als Lehrerin arbeitete.

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Edith Stein geriet als gläubige Katholikin, jüdischer Herkunft während des Nationalsozialismus stark unter Druck. Sie schrieb bereits kurz nach der Machtübernahme Hitlers einen Brief an den damaligen Papst Pius XI., mit der Bitte, öffentlich gegen die Judenverfolgung zu protestieren. Edith Stein erhielt nie eine direkte Antwort auf ihr Schreiben an den Papst. Nach der Pogromnacht 1938 musste sie von Köln nach Holland fliehen wo sie nach dem Überfall Nazideutschlands auf Holland 1941 von den Deutschen festgenommen wurde, zwangsdeportiert und im August 1942 in Ausschwitz ermordet.

1987 wurde Edith Stein von Papst Johannes Paul selig-, und 1998 heiliggesprochen – sie gilt seitdem als „Patronin von Europa“ und wird auch in christlichen Namenskalendern gewürdigt. Zum Gedenken an Edith Stein wurde eine Gedächtniskapelle im St. Magdalenakloster und ein kleines von Ordensschwestern geleitetes Museum eingerichtet.

 

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